Brigitte Tilmann ist verstorben

Kennengelernt haben wir die engagierte OLG-Präsidentin a.D. im Jahr 2010, als sie, gemeinsam mit Claudia Burgsmüller, die Aufgabe der juristischen Aufarbeitung des sexualisierten Missbrauchs an der Odenwaldschule übernahm.
Schnell hat sich damals ein sehr persönliches, fast schon inniges Verhältnis zwischen ihr und Glasbrechen entwickelt.
Für einige Jahre war Brigitte ein sehr empathisches, engagiertes und in jeder Hinsicht wichtiges Mitglied unseres Vereins. Sie hat sich dann entschieden, in Berlin bei der Aufarbeitungskommission mitzuarbeiten, um auf Bundesebene noch mehr für die Aufarbeitung und Aufklärung von sexualisierter Gewalt und die Betroffenen zu tun.
Während der letzten Jahre hatten wir nicht mehr so intensiven Kontakt. Aus den Augen verloren haben wir uns dennoch nie. Mit 80 Jahren wollte Brigitte ihre „Ämter“ aufgeben und mehr Zeit mit ihren Kindern und Enkelkindern verbringen, was wir ihr von ganzem Herzen gegönnt hätten.
Wir sind sehr dankbar für ihren jahrelangen intensiven Einsatz, ihre Streitlust, ihren Beistand und ihre deutlich klare Haltung.

Glasbrechen e.V.
Sabine Pohle
Johannes von Dohnanyi
Jörg Hoffmann
Kai Wilhelmi

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Forschungsprojekt zu mehr Gerechtigkeit
nach sexueller Gewalt in Kindheit und
Jugend

 

Betroffene sexuellen Kindesmissbrauchs haben nicht nur Leid erlebt, sondern auch massives Unrecht. Dies auf persönlicher, gesellschaftlicher oder rechtlicher Ebene anzuerkennen, könnte für sie gerechtere Lebensverhältnisse schaffen. Ein Forschungsprojekt zeigt hierfür Vorschläge auf.


Berlin, 10.11.2022. Ein von der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs gefördertes Forschungsprojekt ist der Frage nachgegangen, wie es für Betroffene nach der Gewalterfahrung mehr Gerechtigkeit geben kann. Heute wurde der Abschlussbericht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Forschungsinstituts zu Geschlechterfragen Freiburg – SoFFI F. unter Leitung von Prof. Dr. Barbara Kavemann veröffentlicht. Er stellt konkrete Vorschläge vor, wie Schritte auf dem Weg zu etwas gerechteren Lebensverhältnissen aussehen könnten, auch wenn das Unrecht nicht ungeschehen gemacht werden kann.


„Für Betroffene gibt es nicht den einen Weg zu mehr Gerechtigkeit nach der erlebten Gewalt“, stellt Prof. Dr. Barbara Kavemann fest. „Worum es ihnen allen aber geht, ist die Anerkennung des Unrechts und seiner Auswirkungen. Gerechtigkeit herzustellen bedeutet darüber hinaus eine konkrete Verbesserung ihrer Lebenssituation, die bis in die Gegenwart von den Folgen der Gewalt in Kindheit und Jugend geprägt sein kann. Betroffene sollten nicht als Bittsteller angesehen werden. Stattdessen muss ihr Anspruch auf passende Hilfen und auf geeignete Möglichkeiten des Nachteilsausgleichs anerkannt werden. Die Entscheidung, welche Schritte zu mehr Gerechtigkeit für sie sinnvoll sind, müssen Betroffene dabei selbst treffen dürfen. Die Gesellschaft muss ihnen entsprechende Angebote machen. Im Forschungsprojekt wurden hierfür konkrete Vorschläge entwickelt“, so Kavemann.


Anerkennungsforum
Viele Fälle sexuellen Kindesmissbrauchs werden nicht im Rahmen eines Strafverfahrens verhandelt, beispielsweise weil sie verjährt sind oder Betroffene sich der enormen Belastung eines solchen Verfahrens nicht aussetzen wollen oder können. Da zumeist auch andere Formen von Sanktionen der Täter und Täterinnen – durch Institutionen, Familien oder das soziale Umfeld – ausbleiben, wird weder das durch die Betroffenen erfahrene Unrecht anerkannt noch benannt, wer dafür die Verantwortung trägt. Das könnte stattdessen durch einen öffentlichen symbolischen Akt erreicht werden: ein Anerkennungsforum. Dieses bietet Betroffenen einen selbstbestimmten Raum, von ihren Erfahrungen zu berichten.


Gedenkort
Ein Gedenkort soll den Geschichten Betroffener einen Platz geben und die Gesellschaft an vergangenes Unrecht erinnern. Er darf an keine Institution gebunden sein, er muss unabhängig und für alle Tatkontexte offen sein. Es soll ein lebendiger Ort sein, der mehr ist als ein Denk- oder Mahnmal, das besucht werden kann und daher auch für Veranstaltungen und Projekte genutzt werden sowie ein Dokumentations- und Forschungszentrum zum Thema sexuelle Gewalt in Kindheit und Jugend umfassen. Dieser Ort soll ein Gefühl von Zugehörigkeit vermitteln, von „Du bist nicht allein“. Zudem soll er die Vielfalt der Betroffenen sichtbar machen und damit gegen Opferklischees, Tabuisierung und Stigmatisierung angehen.


Schriftliche Anerkennung
Diesem Vorschlag liegt die Idee zugrunde, eine Anerkennung durch ein Dokument zu erhalten, mit dem anderen Personen gegenüber belegt werden kann, dass die sexualisierte Gewalt in Kindheit oder Jugend stattgefunden hat. Das Dokument sollte eine Verbindlichkeit haben, die von Behörden akzeptiert wird; die es Betroffenen erspart, dort immer wieder die Gewalterlebnisse schildern zu müssen und ihnen die Bewilligung einer bedarfsgerechten und flexiblen Unterstützung ermöglicht.


Unterstützende Begleitung
Betroffene sind meist auf sich allein gestellt, wenn sie in das Tatgeschehen verwickelte Personen in Institutionen, besonders aber in der Familie, mit der sexuellen Gewalt und ihren Folgen konfrontieren. Für diese Situationen sollte es eine professionelle Begleitung durch dafür qualifizierte Fachkräfte geben. Diese sollen die Interessen der Betroffenen unterstützen, mit ihnen ihre Ziele auf Realisierbarkeit prüfen und möglichst eine für sie psychisch und physisch sichere Situation schaffen.


Sexuelle Gewalt in Kindheit und Jugend ist eine Menschenrechtsverletzung. Betroffene haben massives Unrecht erlebt und unter den gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen gelitten. Nicht nur durch die Täter und Täterinnen, sondern auch durch Personen, die hätten helfen können, aber nicht zugehört, nicht geglaubt und nicht geschützt haben oder durch den Staat, der seiner Aufsichtsplicht nicht nachgekommen ist. Im Erwachsenenalter sind Betroffene häufig weiterhin Unrecht ausgesetzt, wenn sie abgewehrt, abgewertet und stigmatisiert werden bzw. das Unrecht bagatellisiert oder in Abrede gestellt wird. Das Forschungsprojekt will einen Beitrag dazu leisten, für Betroffene sexuellen Kindesmissbrauchs die Folgen des erfahrenen Unrechts zu mindern.

Download: Abschlussbericht „Wege zu mehr Gerechtigkeit nach sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend“

Hintergrundinformationen zum Forschungsprojekt
Das Forschungsprojekt „Wege zu mehr Gerechtigkeit nach sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend“ wurde von Wissenschaftler*innen am Sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitut zu Geschlechterfragen Freiburg – SoFFI F. durchgeführt: Prof. Dr. Barbara Kavemann, Bianca Nagel und Adrian Etzel. Das Projekt baute auf der Studie „Erwartungen Betroffener von sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend an gesellschaftliche Aufarbeitung“ auf. Das Projektteam wurde über den gesamten Projektverlauf von April 2020 bis Mai 2022 von einer festen Forschungsgruppe begleitet, deren Mitglieder selbst sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend in unterschiedlichen Kontexten erlebt haben. Die Forschungsgruppe traf sich regelmäßig, entwickelte die Forschungsfragen weiter

Quelle: Unabhängige Kommission zur Aufbereitung Sexuellen Kindesmissbrauchs, Pressemitteilung 10.11.2022

Der Vorstand von Glasbrechen e.V. und im Namen aller Mitglieder

  Sabine Pohle

  Johannes von Dohnanyi

  Kai Wilhelmi

  Jörg Hoffmann

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nach sexueller Gewalt in Kindheit und
Jugend

Wir gratulieren

Matthias Katsch ganz herzlich zu dieser von Bundespräsident Frank Walter Steinmeier verliehenen Auszeichnung! Seit 2010 ist Matthias aktiv in Sachen Anerkennung, Aufklärung, Prävention sexualisierter Gewalt und Hilfen für die Opfer und Betroffenen. Keiner von uns hätte 2010 geglaubt, dass dieses Engagement jemals durch ein Bundesverdienstkreuz Anerkennung finden würde.

Es ist eine unglaubliche und großartige Anerkennung, ein bisschen auch für uns alle, die wir nun seit über einem Jahrzehnt oder länger aktiv sind. Es zeigt, dass sich in unserer Gesellschaft doch ganz langsam, in kleinen Schritten, etwas an der Haltung und Wahrnehmung  sexualisierter Gewalt verändert. 

Matthias hat mit seinem konsequenten „Dranbleiben“ viel zu Veränderungen beigetragen und wird es vermutlich in Zukunft weiter tun – denn wir sind noch lange nicht am Ziel!

Auch unter diesem Aspekt wünschen wir Dir, lieber Matthias, sehr viel Glück. Von ganzem Herzen.

Der Vorstand von Glasbrechen e.V. und im Namen aller Mitglieder
Sabine Pohle
Johannes von Dohnanyi
Kai Wilhelmi
Jörg Hoffmann

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Zeugensuche

Eine/er unserer ehemaligen Mitschüler/innen hat uns gebeten diesen Zeugenaufruf
zu veröffentlichen.

Diesem Wunsch kommen wir gerne nach.

Für ein Verfahren am Sozialgericht Darmstadt werden Zeugen gesucht für sexualisierte und/oder gewalttätige Übergriffe des Sportlehrers Heinz B. Ende der 1970iger Jahre an der Odenwaldschule. Egal, ob man selbst etwas erlebt oder  beobachtet hat.

Zeugen können sich bei :
Suche@glasbrechen.de melden.

Alle Mitteilungen an uns werden streng vertraulich behandelt. Sie unterliegen einer besonderen Geheimhaltungspflicht (vgl. Satzung des Vereins § 5 Nr. 3 + 4)

Wir werden, sobald das Einverständnis des Meldenden dazu vorliegt,  die Kontaktdaten direkt an das zuständige Gericht weiterleiten,  welches  sich dann mit dem / der Zeugen/in in Verbindung setzen wird.

Aussagen können lt. Gericht schriftlich oder per Videogespräch gemacht werden.

Falls es Klärungsbedarf zu diesem „Suchauftrag“gibt. Gerne jederzeit unter:

Telefon: 069-13390944

Mobil :   0176-60919450

E-Mail: kontakt@glasbrechen.de

Der Vorstand von Glasbrechen e.V. und im Namen aller Mitglieder

Sabine Pohle
Johannes von Dohnanyi
Jens Jörg Hoffmann
Kai Wilhelmi

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Hartmut von Hentig

hat Geburtstag gefeiert. Und er hat sich, dem hohen Alter von 95 Jahren entsprechend, gebührend feiern lassen. Das Coronavirus hat zwar die feierliche große Runde, die peinlichen Ansprachen und ehrerbietenden Kratzfüße verhindert. Stattdessen haben die Wegbegleiter dem „Freund und Kollegen“, dem „Pädagogen und Philosophen“ und sogar „dem Lehrer und grossen Anreger“ öffentlich und per Zeitungsannonce gratuliert.

Welch elende, Gewissen- und Empathievergessene Lobhudelei vom Gipfel des deutschen Denker-Olymps. Kein Hauch von kritischer Distanz zu dem ehemaligen „Star-Pädagogen der Republik“, der für die Opfer sexualisierter Gewalt an der Odenwaldschule in zehn Jahren nicht ein Wort der Reue oder gar der Entschuldigung über die Lippen gebracht hat.

Einige der Gratulanten gehören in das unmittelbare Umfeld der Odenwaldschule unter Gerold Becker. Sie wissen um die enge persönliche Beziehung des verstorbenen Direktors zu Hartmut von Hentig. Sie wissen um die häufigen Besuche von Beckers Lebensgefährten in der Schule. Einige gehörten dem Trägerverein der Odenwaldschule an. Sie tragen damit eine klare Mitverantwortung für das pädokriminelle System Becker, dem hunderte unschuldiger Kinder zum Opfer fielen.

Jedem einzelnen der Unterzeichner hätte es gut zu Gesicht gestanden, seinen Anteil an den Kosten für die Geburtstagsanzeige den Betroffenen zu spenden.

Aber Unterstützung ist von denen, die es besser wissen müssten, nicht zu erwarten. Bis heute plagt sie nicht der leiseste Zweifel. Sie versperren sich jedem Haltungswandel und vermögen selbst den kleinen Satz „Es tut mir leid“ nicht auszusprechen.

„Werde, der Du bist“ hatte Paul Geheeb der Odenwaldschule ins reformpädagogische Stammbuch geschrieben. Hartmut von Hentig und seine Apologeten leben diesen Satz in fürchterlicher Weise.

All dies beweist die Existenz-Notwendigkeit des Vereins „Glasbrechen“ der Betroffenen sexualisierter Gewalt an der Odenwaldschule.

Und deshalb haben wir gleich zwei Geschenke für den Jubilar und seine Freunde:

Wir bleiben! Und wir wünschen Allen ein sehr langes Leben.

Denn sich aus der Verantwortung zu sterben wäre zu einfach.

Der Vorstand von Glasbrechen e.V. und im Namen aller Mitglieder

Sabine Pohle
Johannes von Dohnanyi
Jens Jörg Hoffmann
Kai Wilhelmi

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Tilman Jens ist tot

Eine schwere Krankheit hat unseren Mitschüler, Journalist und Buchautor mit 65 Jahren aus dem Leben gerissen. Tilman war ein streitbarer, ein widerspenstiger und manchmal auch unbequemer Freund. Einer, der seine eigenen Vorstellungen von den Ereignissen und Dingen hatte, der seine Sichtweise auch gegen alle Indizien und Beweise verteidigen konnte – und der dann doch Erkenntnis, Einsicht und viel Empathie zeigen und sich für seine Irrtümer sogar entschuldigen konnte.

Vor allem in den ersten Jahren nach der Aufdeckung des pädokriminellen Netzwerks um Gerold Becker haben wir uns immer wieder an seinen Positionen gerieben. Einzeln und als Vertreter von Glasbrechen e.V. haben wir diskutiert, gestritten – und doch das Gespräch nie abgebrochen. Denn Tilman zwang uns, die eigenen und die Position von Glasbrechen, unsere Überzeugungen immer und immer wieder zu überprüfen.

Tilman Jens war wichtig. Als Journalist, als Autor und als Kritiker. Dafür sind wir ihm über seinen viel zu frühen Tod hinaus dankbar.

Wir werden ihn vermissen.

Der Vorstand von Glasbrechen e.V. und im Namen aller Mitglieder

Sabine Pohle
Johannes von Dohnanyi
Jens Jörg Hoffmann
Kai Wilhelmi

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10 Jahre…

……. ist es her, dass die Öffentlichkeit vom Missbrauchsskandal am Canisius­Kolleg erfuhr. Zu verdanken war dies dem Mut von drei ehemaligen Schülern der Berliner Eliteschule, die dem Rektor ihre teils jahrelangen Qualen angezeigt hatten.

Nicht hoch genug gewürdigt werden kann aber auch der Anstand und die Zivilcourage von Pater Klaus Mertes, der sich dem Schweigekartell der Institution Kirche zu unterwerfen nicht bereit war.

Inzwischen ist bekannt: Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche war – und ist – kein rein kirchliches Problem. Nur wenige Wochen nach Canisius wurde auch die Odenwaldschule von ihrer Vergangenheit eingeholt. Das von der UNESCO zur reformpädagogischen Modellschule erklärte lnternat musste sich als Tatort sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen outen. Auch dort hatten mutige Altschüler schon Jahre zuvor versucht, den Missbrauch öffentlich zu machen.

Seitdem haben sich die Betroffenen organisiert. Der „Eckige Tisch“ mit dem Canisius-Altschüler Matthias Katsch, der Verein „Glasbrechen“ der Opfer sexualisierter Gewalt an der Odenwaldschule und viele andere Gruppen haben dafür gesorgt, dass sexualisierte Verbrechen an Kindern und Jugendlichen nicht mehr tabuisiert werden können.

Die Arbeit von Glasbrechen und eckigem Tisch hat auch andere Einrichtungen der Zivilgesellschaft zu mehr Offenheit gezwungen. Von Sportvereinen über die bündische Jugend bis hin zu Pfadfinder-Organisationen: Es gibt keinen geschlossenen Kreis, in dem Kinder und Jugendliche nicht dem Risiko sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind.

Wir alle, die Betroffenen der Odenwaldschule, der Kirchen und vieler anderer Einrichtungen wissen um diesen anhaltenden Skandal.

Wir sind es, die immer wieder an der begrenzten Bereitschaft von Kirchenführung, Politik und nachgeordneten Behörden scheitern, die Aufklärung dieser Verbrechen radikal voranzutreiben und die Mauern des Schweigens pro-aktiv einzureissen.

Auch wenn wir die dauerhafte Einrichtung des Amts des Unabhängigen Missbrauchsbeauftragten durch die Bundesregierung im vergangenen Jahr und die wertvolle Arbeit des Beauftragten Johannes-Wilhelm Rörig begrüssen:

Der Skandal ist ebenso wenig überwunden, wie den Betroffenen ausreichend geholfen wird oder gar unser Zorn befriedet ist.

Wir bleiben !
i.V. für Glasbrechen
Sabine Pohle
Johannes von Dohnanyi

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An die Opfer / Betroffenen sexualisierter Gewalt an der Odenwaldschule

Durch eine konzertierte Aktion von Hessischem Kultusministerium und Kreis Bergstraße ist es möglich geworden, die Stiftung „Brücken bauen“ mit ausreichenden Finanzmitteln auszustatten. Damit ist die Stiftung weiter in der Lage ist, Opfer sexualisierter Gewalt an der Odenwaldschule zu unterstützen.

Seit Gründung der Stiftung „Brücken bauen“ 2011 haben zahlreiche Opfer sexualisierter Gewalt an der Odenwaldschule Anerkennungszahlungen oder Hilfen für psychotherapeutische Behandlungen erhalten.

Aufgrund der Aufarbeitungsberichte des IPP München und der Uni Rostock (Brachmann) und durch Gespräche mit dem Vorstand von Glasbrechen e.V. ist deutlich geworden, dass sich bisher nur ein kleiner Teil der Opfer sexualisierter Gewalt an der Odenwaldschule gemeldet haben kann und weit mehr Personen Anspruch auf Anerkennung und/oder Hilfen haben.

Ein Antragsformular für Hilfeleistung befindet sich auf der Homepage der Stiftung „Brücken bauen“ (www.stiftung-brueckenbauen.de), ebenso können dort Informationen eingesehen werden, welche Formen der Unterstützung möglich sind.

Gerne sind wir Ihnen beim Ausfüllen der Anträge behilflich oder stehen für Fragen zur Verfügung. Wer seinen Antrag über Glasbrechen e.V. einreichen und dort seine Fragen stellen möchte – auch dies ist jederzeit möglich.

Bitte haben Sie keine Hemmungen Ihren Antrag zu stellen.

Ulrich Kühnhold

Stiftung „Brücken bauen“ – Stiftung des bürgerlichen Rechts

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Missbrauch an der Odenwaldschule: Studien korrigieren Opferzahlen nach oben

Einst war sie ein Vorzeigeinternat, doch dann kam die Odenwaldschule bei Heppenheim wegen schwerer Missbrauchsvorwürfe in die Schlagzeilen. Zehn Jahre sind seit dem Skandal vergangen. Am Freitag wurden in Wiesbaden zwei Studien vorgestellt, die deutlich machen, dass weitaus mehr Schüler von Mitarbeitern der Schule sexuell missbraucht wurden. 

An der südhessischen Odenwaldschule sind mehr Schülerinnen und Schüler sexuell missbraucht worden als bisher angenommen. Das geht aus zwei Studien hervor, die am Freitag in Wiesbaden vorgestellt wurden. Eine davon macht deutlich: Die Übergriffe hätten häufig gestoppt werden können, hätte man den Schülern einfach nur geglaubt. „Viele Eltern waren von der Reputation der Schule derart geblendet, dass sie nicht glauben konnten, was ihren Kindern widerfahren war“, sagt Florian Straus, Leiter der Studie „Odenwaldschule als Ort sexualisierter Gewalt“.

Auch Adrian Koerfer, den wir zum Interview treffen, wurde jahrelang von Gerold Becker, dem ehemaligen Schulleiter, missbraucht. Lange galt er als Lügner, jetzt endlich wurden die Verbrechen von damals schwarz auf weiß dokumentiert. Bis zu 900 Jugendliche sollen an dem ehemaligen Eliteinternat im hessischen Heppenheim zwischen 1966 und 1989 sexuell missbraucht worden sein – bislang war von 132 Opfern die Rede. 

Sozialminister Kai Klose: „Es ist das Gegenteil eines Schlussstrichs.“

Die Studien des Institut für Praxisforschung und Projektberatung München und der Universität Rostock waren 2014 vom damaligen Trägerverein der Odenwaldschule und dem Zusammenschluss der Betroffenen, Glasbrechen e.V., in Auftrag gegeben und vom hessischen Sozialministerium mitfinanziert worden. Die Vorstellung der Studie sei für Sozialminister Kai Klose kein Schlussstrich, vielmehr der Beginn der Auseinandersetzung mit den Studienergebnissen. „Wir wollen und werden das Thema weiter be- und verarbeiten“, sagte Klose.

Die Wissenschaftler bearbeiteten mehr als 450 laufende Meter Akten, mehrere hundert Pläne und 50 000 Bilder, Audio- und Videokassetten. Auch ehemalige Schüler und Lehrer wurden interviewt.

Im Video von Reporter Benjamin Holler spricht der ehemalige Odenwaldschüler Adrian Koerfer über die Bedeutung der beiden Studien.

Mit freundlicher Genehmigung von Benjamin Holler (Redakteur RTL Hessen; Beitrag von RTL Hessen vom 22.09.2019)

Vorstand von Glasbrechen e.V.

Sabine Pohle

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Landespressekonferenz zu den beiden Forschungsberichten über die Odenwaldschule

Am heutigen Freitag, dem 22. Februar 2019, stellt das Sozialministerium des Landes Hessen in der Hessischen Landespressekonferenz in Wiesbaden die Ergebnisse von zwei wissenschaftlichen Forschungsprojekten zum sexuellen Missbrauch an der Odenwaldschule/Oberhambach vor.

Um allen Missverständnissen vorzubeugen: Wir freuen uns ausdrücklich über die heutige Einladung von Adrian Koerfer auf das Podium der LPK. Adrian Koerfer war eines der Gründungsmitglieder des Betroffenenvereins „Glasbrechen e.V.“ und bis vor ein paar Jahren Mitglied des Vorstands.

Der aktuelle Vereinsvorstand hingegen wird – und das auch nur nach massiven Protesten – nur als „Gast ohne Fragerecht“ an der Veranstaltung teilnehmen dürfen.

Der Vorstand von „Glasbrechen“ nimmt diese eigentlich selbstverständliche Minimalentscheidung zur Kenntnis. Allerdings stellen wir mit Bedauern fest:

Einmal mehr hat das Ministerium, das schon in der Vergangenheit nicht in der Lage war, die Missstände an der Odenwaldschule rechtzeitig zu erkennen und zu beenden, gegenüber den Betroffenen versagt. Einmal mehr reklamieren „die Politik“ und ihre Behörden für sich die exklusive Deutungshoheit über die Ereignisse an der Odenwaldschule.

Offenbar ist es in den vergangenen neun Jahren nicht gelungen, den auf vielen – auch politischen – Ebenen erlebten Widerstand gegen eine umfassende Aufklärung des Skandals an der Odenwaldschule zu brechen.

Immer noch fällt es „der Politik“ leichter, über die Ereignisse an der ehemaligen Modellschule und ihre Opfer, als unmittelbar mit ihnen zu reden.

Und das ausgerechnet in den Tagen, an denen Papst Franziskus zu einer medial stark beachteten viertägigen Konferenz über den sich ausweitenden Missbrauchsskandal in der Katholischen Kirche in den Vatikan geladen hat! 

Bei dieser Veranstaltung werden auch die Opfer sexualisierter Gewalt durch katholische Geistliche zu Wort kommen.

Hintergrund:

Zwischen den 1970er und den späten 1990er Jahren wurden an der reformpädagogischen Modellschule Odenwaldschule nach unserer Kenntnis bis zu 500 Schüler sexuell missbraucht. Als einer der Haupttäter gilt Gerold Becker, der damalige und 2010 verstorbene Leiter sowie mehrere andere Lehrer des Internats.

Auch in der Zeit danach und bis kurz vor ihrer Schliessung im Jahr 2015 hat es mehrere Fälle pädo-sexueller Gewalt an der Odenwaldschule gegeben.

Nicht einer der Täter wurde rechtskräftig verurteilt. Einige von ihnen sind verstorben. In den anderen Fällen waren die Verbrechen verjährt.

Möglich wurden die heute vorgestellten Studien des Münchner Instituts für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) und von Prof. Jens Brachmann/Universität Rostock u.a. auch nur Dank der Auskunftsbereitschaft einiger Mitglieder des Betroffenenvereins „Glasbrechen e.V.“ und vielen anderen unserer ehemaligen Mitschüler. 

Vorstand von Glasbrechen e.V.

Sabine Pohle


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