Was Glasbrechen e.V. mittelbar über „Brücken Bauen“ erfahren hat

„Böses darf man nicht nur denen zur Last legen, die es tun, sondern auch denen, die es nicht verhindern, obwohl sie dazu in der Lage wären.“ Thukydides, (um 455 – 396 v. Chr)

Am 3. November 2011 ließ der Odenwaldschule e.V. unter anderem verlautbaren: „…Die von der Odenwaldschule und von der Altschülervereinigung beschlossene Stiftung zur Unterstützung der von sexuellem Missbrauch Betroffenen hat Mitte dieses Jahres ihre Arbeit aufgenommen.“


Was hat es damit auf sich?

A. Von einer aktiven Tätigkeit für Betroffene der Straftaten an der Odenwaldschule ist bislang nichts bekannt

Von einer seit Sommer dieses Jahres erfolgenden Arbeit der nicht rechtsfähigen, unselbständigen Stiftung „Brücken Bauen“ ist Glasbrechen nur bekannt, als dass sie Mitte 2011 errichtet wurde und von der Altschülervereinigung der Odenwalschule sowie dem Odenwaldschule e.V. mit je € 50.000,- ausgestattet wurde. Es gibt einen als Stiftungstreuhänder agierenden Rechtsanwalt, sowie drei satzungsgemäße Stiftungsbeiräte. Bis heute ist Glasbrechen e.V. nicht bekannt, in welcher Weise diese Personen ihre Aufgaben wahrnehmen wollen. Einem Betroffenen, der sich kürzlich an die „Stiftung“ gewandt hat, wurde schriftlich beschieden, er müsse einen Fragebogen ausfüllen, der auf einer bald verfügbaren Webseite im Internet herunterladbar sein werde. Die internen Richtlinien für Zuwendungen und die Behandlung von Anträgen seien noch in Arbeit. Er solle sich vorerst an Glasbrechen e.V. wenden. Das bedeutet, dass die „Stiftung“ bis dato nichts für Betroffene getan hat. Sie war noch nicht einmal selbst  aktiv, sondern reagiert nur hinhaltend.

B. „Brücken Bauen“ ist kein reiner „Opferfonds“

Die Interna der „Stiftung“, insbesondere die geltende Satzung sind Glasbrechen unbekannt. Es liegen nur Informationen über einen Vorentwurf vor. Aus diesem ergibt sich augenscheinlich, dass es sich bei der „Stiftung“ nicht ausschließlich um einen so genannten „Opferfonds“ handelt. Vielmehr ist in § 2 der Satzung die Zweckbindung der zu vergebenden Mittel auch auf die wichtige Präventionsarbeit gerichtet, die in der Odenwaldschule stattfindet – eigentlich eine originäre Aufgabe der Schule, für die es keiner „Stiftung“ bedurft hätte.

Ebenso ergibt sich aus § 2 der Satzung, dass  sich der Zweck im Übrigen auf die „…Unterstützung von Hilfsmaßnahmen für Menschen, die an der Odenwaldschule sowohl in körperlicher wie auch in seelischer Form sexuelle Gewalt erfahren haben und dadurch körperlich und/oder seelisch nachhaltig verletzt wurden ..“ beschränkt. Erkennbar werden Ersatzleistungen oder ein Nachteilsausgleich hier nicht in Betracht gezogen.

Bei Auflösung der Stiftung oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke fällt das Vermögen an den Stifterverein der Odenwaldschule e.V., notfalls der Odenwaldschule e.V. Die Stifter haben sich für einen Zeitraum von drei Jahren ab Stiftungsgeschäft das Recht zum Widerruf vorbehalten.

Der Stiftungstreuhänder berichtet schriftlich den Stiftern. Eine öffentliche Rechnungslegung ist nicht schriftlich vorgesehen worden; und zwar auch nicht gegenüber Spendern oder „Zustiftern“.

C. Leistungen von „Brücken Bauen“ sollen im Wesentlichen nicht aus Mitteln des Odenwaldschule e.V. bestritten werden

Aus der Presse hat Glasbrechen e.V. entnommen, dass der Ankündigungsbetrag in Höhe vom € 500.000,- erst bei Zustiftern und Spendern eingeworben werden soll, also augenscheinlich über den Stiftungsbetrag von € 50.000,- hinaus, keine weiteren Leistungen der Odenwaldschule selbst an die Opfer erfolgen sollen.

D. Meinung von Glasbrechen e.V.

a)  „Brücken Bauen“ ist über die Köpfe der Betroffenen hinweg ohne wirklich partnerschaftlichen Dialog errichtet worden. Damit sind die Betroffenen erneut zu Objekten der Fremdbestimmung degradiert worden. Glasbrechen e.V. befürchtet, dass die im Bereich der sexualisierten Gewalt erkennbar unerfahrenen und ungeübten Verantwortlichen bei „Brücken Bauen“ durch Etablierung von verwaltungsmäßigen Verfahren der Verletzlichkeit der betroffenen Antragsteller auch ohne bösen Willen nicht gerecht werden können.

b) Der Ankündigungsbetrag in Höhe vom € 500.000,- erscheint unbelegt bzw. unsicher. Der „Modus Operandi“ von „Brücken Bauen“ ist bis dato unbekannt.  Gerade Betroffene, die sich an die Stiftung wenden möchten, lässt man in der Satzung, aber auch sonst, völlig im Unklaren darüber, wie mit ihren Anliegen, ihren persönlichen Daten und höchstpersönlichen anderen Angaben seitens der Stiftung umgegangen werden wird.

c) Augenscheinlich ist eine Transparenz über die finanziellen Verhältnisse und die Mittelverwendung gegenüber den Betroffenen und der weiteren, interessierten Öffentlichkeit in der Satzung von „Brücken Bauen“ nicht verankert und damit möglicherweise nicht vorgesehen.

d) Glasbrechen e.V. hat auf dieser Webseite herunterladbare Richtlinien für die Mittelverwendung erstellt, die in der ebenso dort einsehbaren Satzung verankert sind. Glasbrechen e.V. hat sich zur transparenten Mittelverwendung verpflichtet, wobei die Transparenz allerdings ihre Grenze in der Privatsphäre der Betroffenen finden muss.

Im Hinblick auf die Regelungen in der Satzung von „Brücken Bauen“ bittet Glasbrechen e.V. nach alledem alle Zustifter und Spender, die finanziell ihr Mitgefühl und ihre Solidarität mit ehemaligen Kindern ausdrücken wollen, deren Erwachsenenleben durch die Taten an der Odenwaldschule letztlich irreparabel überschattet wird, eindringlich eine Zweckbestimmung zu treffen, indem sie ausdrücklich sagen, dass die Mittel ausschließlich für Opfer zu verwenden sind und zwar auch für den Nachteilsausgleich.

18. November 2011

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