Versuch einer Beschreibung des Verhältnis der Odenwaldschule zu ihren unzähligen Opfern zum gegenwärtigen Zeitpunkt

Stand: Mitte Januar 2015

Glasbrechen e.V. existiert seit September 2010. Seitdem ist der Verein in seinem Kampf für Opferrechte über wenige Höhen und durch viele Tiefen gegangen.

Es ist zu rekapitulieren, dass die (ständig wechselnden) Verantwortlichen der Odenwaldschule uns die Arbeit nicht leichter machten. Spätestens seit 1998 wussten die Gremien der Schule von den Missbrauchsfällen. Das ungeheure Ausmaß der pädosexuell motivierten Übergriffe und Verbrechen wurde der Öffentlichkeit wie auch uns ehemaligen Schülern und Schülerinnen erst im Laufe der letzten Jahre, frühestens ab März 2010, bekannt. Zuvor allerdings schon hatte die damalige Schulleiterin, Frau Margarita Kaufmann ehrlich versucht, Licht in die Düsternis und das Verdunkeln seitens der Trägerschaft der Schule zu bringen. Sehr bedauerlich ist die Tatsache, dass Frau Kaufmann damit weitestgehend scheiterte, sieht man einmal von der Beauftragung der beiden Juristinnen Tilmann und Burgsmüller als neutrale Anlaufstelle für Opfer ab. Das entpuppte sich als ein Glücksfall für die Betroffenen sexuellen Missbrauchs.

Sehr bedauerlich ist heute, dass ein ehemaliges Mitglied jenes Vorstandes des Trägervereins, der 1998 von den Verbrechen erfuhr und ausser Verdunkelung nichts tat, jetzt wieder im Vorstand eben dieses schwer belasteten Trägervereins sitzt und offenbar gegen die Opferinteressen agiert. Einer unserer ehemaligen Mitschüler. Tut so, als sei nichts gewesen. (Auch das ist in diesem Zusammenhang nichts ungewöhnliches.)

Es lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt feststellen, dass es durchaus gutmeinende Kräfte im Umkreis der Schule gibt, die zukunftsorientiert, auch mit uns, arbeiten wollen. So ist zum Beispiel ein „Runder Tisch Odenwaldschule“ im vergangenen Herbst installiert worden, der alle Interessensgruppen, zum ersten Mal aber auch den Opferverein Glasbrechen zu einer konstruktiven Diskussion versammeln wollte – um damit ein Zeichen für eine neue Entwicklung an der OWS zu setzen. Diese Initiative ist heute wieder vom Scheitern bedroht, weil immer noch alte, stumpfe Kräfte bestrebt sind, den Dialog mit den Opfern und damit die Aussöhnung mit ihnen zu erschweren, wenn nicht gar zu verhindern.

Es gehen Gerüchte, der Vorstand des Trägervereins wolle auch jetzt noch eine Betriebs-GmbH unter Umgehung progressiver Kräfte, gegen die Intentionen der Politik, auch hinter dem Rücken des für die Vorbereitung der geforderten Umstrukturierung der Schule vom Vorstand selbst eingesetzten Initiators des Runden Tisches, Herrn RA Köhler, installieren. Dabei müsste heute!, endlich!, wenigstens! allen an der Schule Verantwortlichen klar sein, dass Köhlers Entwurf „Alt plus Neu – ein echtes Stiftungsmodell“ eigentlich ohne jede mögliche Alternative ist! Uns scheint es aber so zu sein, als hätten die Herren Herbert, Rademacker, Glauner, als hätte dies der Vorstand immer noch nicht begriffen.

Damit wird einer der zentralen Forderungen aus dem hessischen Sozialministerium und aus dem Heppenheimer Landratsamt immer noch eine lange Nase gedreht. Man scheint zu glauben, ohne Aussöhnung wie auch ohne die schon vereinbarten, kontinuierlichen Zahlungen an den Opferverein davon zu kommen. Die Frage stellt sich: wohin soll eine solche Haltung 2015 noch führen?

Im Gegensatz zum Vorstand des Trägervereins, namentlich die Herren Herbert, Rademacker und Glauner, halten inzwischen auch die Elternvertreter als die Vertreter der Kunden eine Versöhnung mit den Opfern für unabdingbar.

Im Jahr 2014 hat die Odenwaldschule endlich Euro 80.000,– für eine Aufklärung ihrer Verbrechensgeschichte zur Verfügung gestellt, die übrigen noch benötigten Euro 35.000,– wurden vom Hessischen Sozialministerium bereit gestellt, so dass endlich – und nur auf Druck aus der Politik (Landräte und MdL Marcus Bocklet) und seitens Glasbrechen e.V. – eine unabhängige Untersuchung durch die Universität Rostock (Lehrstuhl Prof. Dr. Jens Brachmann) und das Münchner IPP-Institut in Auftrag gegeben werden konnte. In wieweit die entsprechenden Stellen der Schule (Archivleitung, Vorstand Trägerverein, Mitarbeiterschaft) tatsächlich hilfreich mit den beiden Instituten kooperieren, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht gesichert abschätzen. Auch hier besteht unsererseits leider begründete Skepsis.

Die von der Schule ins Leben gerufene Stiftung „Brücken bauen“ hat – nach anfänglichen Angriffen auf uns Opfervertreter und der Ablehnung jeglichen Kontaktes zu uns – auch ihre verständige Seite gezeigt, und nach Vermittlung durch den „Beirat“ von Glasbrechen, der sich mit den Ansprüchen der Opfer und notwendigen Anerkennungsbeiträgen seit Jahren wissend beschäftigt, – Zahlungen im Bereich zwischen Euro 5.000,– und Euro 20.000,– manchen Opfern zugewiesen.

Sehr viele Opfer, die wir teilweise persönlich kennen, deren Geschichten wir kennen, haben sich weder bei der Anlaufstelle Tilmann/Burgsmüller noch bei der Schule noch bei der Stiftung gemeldet. Wir müssen also weiterhin von mehr als fünfhundert Opfern der päderastischen Verbrechen an der OWS ausgehen.

Zum Schluss eine kurze Skizze der Haltung der Odenwaldschule ihren Opfern gegenüber. Frau Kaufmann erwähnten wir schon, sie hat empathisch versucht, aufzuklären. Nach ihr wurde für zwei Jahre ein opferabgewandtes, hermetisches, geschichtsverneinendes System an der Schule etabliert, mit dem keinerlei Dialog mehr möglich war. Dieser furchtbaren Frostperiode fielen leider auch die beiden hoch engagierten Vorstandsmitglieder des Trägervereins, Johannes von Dohnanyi und Michael Frenzel, zum Opfer. Ihnen war es seit Mai 2010 an Aussöhnung und Schuldanerkenntnis gelegen. Aber: ohne sie blieb es dort oben für uns weiterhin schrecklich kalt, bis endlich der neue Schulleiter, Dr. Siegfried Däschler-Seiler, das Gespräch mit uns suchte, uns zuhörte und versuchte, zu verstehen, was bisher passiert war. Ihm war daran gelegen, eine Aussöhnung voran zu treiben.

Nach nicht mal einem Jahr der Tätigkeit vor Ort wurde dieser ehrenwerte Mann vom Vorstand des Trägervereins fristlos entlassen. Ein arbeitsgerichtliches Verfahren, in dem Herr Dr. Däschler-Seiler in erster Instanz in vollem Umfang obsiegt hat, ist noch nicht abgeschlossen. Vor der Kündigung hatten die Herren Herbert und Kollegen Herrn Dr. Däschler-Seiler noch ein Kontaktverbot zu uns auferlegt. Nordkorea in Ober-Hambach.

Noch herrscht dort ein autoritäres Regime ohne Verwurzelung im eigenen Verein, ohne Respekt vor den Belangen und der Traumatisierung der Opfer, ohne Wahrnehmung der politischen, progressiven Kräfte um es herum, ohne Demokratieverständnis. Manche sagen uns, wir hätten es mit Rosstäuschern zu tun.

Im Grunde zeigt diese hoch aktuelle Skizze, wie mühsam die Arbeit der letzten bald fünf Jahre war. Niemandem wünschen wir einen solch zähen, manchmal aberwitzigen Kampf. Und wissen doch, dass viele unserer Kollegen in den anderen schwer belasteten Institutionen genau so auch kämpfen müssen.

Das von uns gestiftete Mahnmal (Entwurf Daniel Brenner) steht heute noch ohne Stiftertafel da. Und wurde in der Ära Höhmann bloß Triptychon genannt. (Auch diese Haltung scheint für Täterorganisationen insgesamt prototypisch zu sein.)

Adrian Koerfer, 1. Vorsitzender „Glasbrechen e.V. – Für die Opfer pädosexueller Verbrechen an der Odenwaldschule“ 

Für den Vorstand und den Verein.

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