Missbrauch an der Odenwaldschule: Studien korrigieren Opferzahlen nach oben

Einst war sie ein Vorzeigeinternat, doch dann kam die Odenwaldschule bei Heppenheim wegen schwerer Missbrauchsvorwürfe in die Schlagzeilen. Zehn Jahre sind seit dem Skandal vergangen. Am Freitag wurden in Wiesbaden zwei Studien vorgestellt, die deutlich machen, dass weitaus mehr Schüler von Mitarbeitern der Schule sexuell missbraucht wurden. 

An der südhessischen Odenwaldschule sind mehr Schülerinnen und Schüler sexuell missbraucht worden als bisher angenommen. Das geht aus zwei Studien hervor, die am Freitag in Wiesbaden vorgestellt wurden. Eine davon macht deutlich: Die Übergriffe hätten häufig gestoppt werden können, hätte man den Schülern einfach nur geglaubt. „Viele Eltern waren von der Reputation der Schule derart geblendet, dass sie nicht glauben konnten, was ihren Kindern widerfahren war“, sagt Florian Straus, Leiter der Studie „Odenwaldschule als Ort sexualisierter Gewalt“.

Auch Adrian Koerfer, den wir zum Interview treffen, wurde jahrelang von Gerold Becker, dem ehemaligen Schulleiter, missbraucht. Lange galt er als Lügner, jetzt endlich wurden die Verbrechen von damals schwarz auf weiß dokumentiert. Bis zu 900 Jugendliche sollen an dem ehemaligen Eliteinternat im hessischen Heppenheim zwischen 1966 und 1989 sexuell missbraucht worden sein – bislang war von 132 Opfern die Rede. 

Sozialminister Kai Klose: „Es ist das Gegenteil eines Schlussstrichs.“

Die Studien des Institut für Praxisforschung und Projektberatung München und der Universität Rostock waren 2014 vom damaligen Trägerverein der Odenwaldschule und dem Zusammenschluss der Betroffenen, Glasbrechen e.V., in Auftrag gegeben und vom hessischen Sozialministerium mitfinanziert worden. Die Vorstellung der Studie sei für Sozialminister Kai Klose kein Schlussstrich, vielmehr der Beginn der Auseinandersetzung mit den Studienergebnissen. „Wir wollen und werden das Thema weiter be- und verarbeiten“, sagte Klose.

Die Wissenschaftler bearbeiteten mehr als 450 laufende Meter Akten, mehrere hundert Pläne und 50 000 Bilder, Audio- und Videokassetten. Auch ehemalige Schüler und Lehrer wurden interviewt.

Im Video von Reporter Benjamin Holler spricht der ehemalige Odenwaldschüler Adrian Koerfer über die Bedeutung der beiden Studien.

Mit freundlicher Genehmigung von Benjamin Holler (Redakteur RTL Hessen; Beitrag von RTL Hessen vom 22.09.2019)

Vorstand von Glasbrechen e.V.

Sabine Pohle

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