Hartmut von Hentig

hat Geburtstag gefeiert. Und er hat sich, dem hohen Alter von 95 Jahren entsprechend, gebührend feiern lassen. Das Coronavirus hat zwar die feierliche große Runde, die peinlichen Ansprachen und ehrerbietenden Kratzfüße verhindert. Stattdessen haben die Wegbegleiter dem „Freund und Kollegen“, dem „Pädagogen und Philosophen“ und sogar „dem Lehrer und grossen Anreger“ öffentlich und per Zeitungsannonce gratuliert.

Welch elende, Gewissen- und Empathievergessene Lobhudelei vom Gipfel des deutschen Denker-Olymps. Kein Hauch von kritischer Distanz zu dem ehemaligen „Star-Pädagogen der Republik“, der für die Opfer sexualisierter Gewalt an der Odenwaldschule in zehn Jahren nicht ein Wort der Reue oder gar der Entschuldigung über die Lippen gebracht hat.

Einige der Gratulanten gehören in das unmittelbare Umfeld der Odenwaldschule unter Gerold Becker. Sie wissen um die enge persönliche Beziehung des verstorbenen Direktors zu Hartmut von Hentig. Sie wissen um die häufigen Besuche von Beckers Lebensgefährten in der Schule. Einige gehörten dem Trägerverein der Odenwaldschule an. Sie tragen damit eine klare Mitverantwortung für das pädokriminelle System Becker, dem hunderte unschuldiger Kinder zum Opfer fielen.

Jedem einzelnen der Unterzeichner hätte es gut zu Gesicht gestanden, seinen Anteil an den Kosten für die Geburtstagsanzeige den Betroffenen zu spenden.

Aber Unterstützung ist von denen, die es besser wissen müssten, nicht zu erwarten. Bis heute plagt sie nicht der leiseste Zweifel. Sie versperren sich jedem Haltungswandel und vermögen selbst den kleinen Satz „Es tut mir leid“ nicht auszusprechen.

„Werde, der Du bist“ hatte Paul Geheeb der Odenwaldschule ins reformpädagogische Stammbuch geschrieben. Hartmut von Hentig und seine Apologeten leben diesen Satz in fürchterlicher Weise.

All dies beweist die Existenz-Notwendigkeit des Vereins „Glasbrechen“ der Betroffenen sexualisierter Gewalt an der Odenwaldschule.

Und deshalb haben wir gleich zwei Geschenke für den Jubilar und seine Freunde:

Wir bleiben! Und wir wünschen Allen ein sehr langes Leben.

Denn sich aus der Verantwortung zu sterben wäre zu einfach.

Der Vorstand von Glasbrechen e.V. und im Namen aller Mitglieder

Sabine Pohle
Johannes von Dohnanyi
Jens Jörg Hoffmann
Kai Wilhelmi

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