Brief ehemaliger Mitarbeiter an die Odenwaldschule

Wir halten fest: Seit Beginn des Kindesmissbrauchs an der Odenwaldschule in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts haben sicherlich mehr als sechzig Lehrer an der Schule unterrichtet. Lediglich vier von ihnen konnten sich bis heute (als ehemalige Mitarbeiter) zu diesem offenen Brief bekennen. Wir bedanken uns für deren Mut und Engagement.
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WIR FORDERN

An der Odenwaldschule wurden drei Schülergenerationen sexuell missbraucht und misshandelt; Schüler, Kinder und Schutzbefohlene – in einem Altersumfang von heutigen 35 bis 60 Jahren.
Wir, ehemalige Mitarbeiter der Odenwaldschule, beobachten seit der Aufdeckung der pädokriminellen Verbrechen das Verhalten der Odenwaldschule und stellen fest, dass bis heute keine nennenswerten Handlungen zur Wiedergutmachung der geschehenen Gräuel erfolgt sind. Unter anderem

  • konnte bis dato kein Vertrauen zu den Opfern der Odenwaldschule aufgebaut werden (laut dpa-Meldung vom 15.7.12 haben sich lediglich 20 (!) Opfer bei der Stiftung der Odenwaldschule gemeldet);
  • gibt es kein Gesprächsangebot für die Opfer, das diese annehmen und für ihr aktuelles Leben umsetzen können;
  • gibt es keine individuelle Einschätzung der jeweils aktuellen Lebenssituation der Opfer und daraus resultierend eine Beratung und Unterstützung für ihr weiterführendes Leben;
  • gibt es gemessen an dem Ausmaß der Taten bisher lediglich eine rudimentäre finanzielle Unterstützung für eine Hilfe zur Veränderung der jeweiligen Lebenssituation der Opfer.

Im krassen Gegensatz dazu steht heute das Herumlavieren der Odenwaldschule, ihr Wegducken und der Versuch des Aussitzens dieser für alle beschämenden Situation. Man kann es auch mit den Worten des Landtagsabgeordneten Marcus Bocklet sagen: Es besteht eine „organisierte Unzuständigkeit“, – eine kafkaeske Situation, in der die Opfer der Odenwaldschule erneut zu Opfern gemacht werden. Auf diese Weise wird die damalige Traumatisierung fortgesetzt – ohne dass die Odenwaldschule damit ein für uns sichtbares Problem hat!
Vor 2010 verhielt sich die Odenwaldschule in der Weise, dass alles getan wurde, um die Aufdeckung der Gräuel zu verhindern. Heute verhält sich die Odenwaldschule in der Weise, dass alles getan wird, um eine den Opfern gerecht werdende und von ihnen annehmbare Wiedergutmachung zu verhindern. Nach wie vor wird in erster Linie die Institution Odenwaldschule geschützt und nicht die damaligen Kinder dieser Institution.

Deshalb verlangen wir, ehemalige Mitarbeiter der Odenwaldschule, aus Respekt vor all dem erlittenen Leid, dass die oben aufgeführten Punkte jetzt endlich öffentlich in Handlung umgesetzt werden.
Wir können und wollen nicht länger mitansehen, wie das frühere Verhalten des Wegschauens der Odenwaldschule weiter fortgesetzt wird.
Nicht jene, die eine Entschädigung – moralisch und finanziell – fordern, stellen die Schule in Frage, sondern jene, die diese verhindern.

Salman Ansari
Barbara Bastian
Reiner Prinz
Christiane Wolf

ResolutionMitarbeiter.pdf

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