Aus Sicht von Opfern: kritische Stellungnahme zum Konzept der Odenwaldschule

Berlin, den 24.4.2014

Bei den Unterzeichnenden handelt es sich um Missbrauchsopfer und Mitbetroffene mit unterschiedlichem Hintergrund. Gemeinsam verfügen sie über eine umfassende Erfahrungsexpertise, die für Aufarbeitung und Prävention zur Verfügung gestellt wird.
Die Odenwaldschule ist wegen der Ermittlungen gegen einen ihrer Lehrer erneut in die Schlagzeilen geraten.

Unabhängig davon, ob sich der Verdacht gegen diesen Mann erhärtet oder nicht, halten die Unterzeichnenden das bestehende Konzept der Odenwaldschule für ungeeignet, um Kinder und Jugendliche vor sexuellem Missbrauch zu schützen.

Eines der Kernelemente des Internatlebens dieser Schule, nämlich das „Familienprinzip“ ermöglicht den Lehrerkräften eine unangemessene Einflussnahme auch auf die intimsten Angelegenheiten der SchülerInnen. Erwachsene mit übergriffigen Neigungen müssen sich geradezu eingeladen fühlen, sich an der Odenwaldschule als Lehrkraft zu bewerben. Über das Zusammenleben auf den Wohngruppen können sie leicht Kinder unter ihre Kontrolle bringen. Dies ist eine der bekanntesten Täterstrategien http://www.odenwaldschule.de/internat/wie-wir-leben.html http://www.zartbitter.de/gegen_sexuellen_missbrauch/Fachinformationen/6001_fakten_taeterstrategien_institutionelle_dynamiken.php

Das Familienprinzip wurde in der Vergangenheit nicht nur von Opfervertretern, sondern auch von Experten und den zuständigen Sozialämtern kritisiert. Trotzdem rückt die Schule davon nicht ab.

Die Odenwaldschule ist das einzige Internat, das an dieser Wohnform noch festhält. Aus pädagogischen Gründen, wie sie in ihrem Leitbild feststellt. http://www.odenwaldschule.de/home/leitbild.html
Grundsätzlich halten die Unterzeichner das Präventionskonzept der Schule für einen guten Ansatz http://www.odenwaldschule.de/verantwortung/die-verantwortung.html

Aber sie vermissen eine nachhaltige Umsetzung. Der jüngste Fall hat vor Augen geführt, wie leicht es für einen pädokriminellen Lehrer ist, in die privaten Bereiche der SchülerInnen einzudringen. Diese Lehrkraft hätte sich nur einen Gleichgesinnten suchen müssen und trotz aller Schutzmaßnahmen direkten Zugriff auf Kinder haben können. Das Vier-Augen-Prinzip kann die Schüler bei diesem „Modell“ nicht genügend schützen. Denn nach wie vor leben Schüler und Lehrer an der Odenwaldschule in Wohneinheiten zusammen. Tag und Nacht.

So lange der Schulträger nicht für wirksamen Schutz sorgt, sind die SchülerInnen der Odenwaldschule immer noch sehr gefährdet.

Sollten die Verantwortlichen jetzt nicht einlenken, wäre es aus Sicht der Unterzeichner das Beste, die Schule zu schließen, um ggf. unter neuer Trägerschaft und mit einem besseren Konzept von vorne zu beginnen.

Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, „Sexualisierte Misshandlung-Betroffenenteam“, Opfer von Missbrauch im familiären Umfeld, Sprecherin des Betroffenenbeirates des EHS-FSM
Jacqueline Ehmke, Berlin/Brandenburg,“ Sexualisierte Misshandlung-Betroffenenteam“, Betroffene sexualisierter Gewalt in der Kindheit, Mitglied im Betroffenenbeirat u. Lenkungsausschuss EHS-FSM
Bernd Held, Initiative Ehemaliger Johanneum Homburg
Winfried Ponsens, „Missbrauchsopfer Collegium Josephinum Bonn und Redemptoristen e.V.“
Dr. Henning Stein, Monika Stein, Mitglieder Betroffenenbeirat Ergänzendes
Hilfesystem
Renate Schusch, AG Kinderschutz, stellv. Vorsitzende Aktivverbund e.V., Mitglied Betroffenenbeirat EHS-FSM
Maren Ruden, Initiative „Die Rose“, Betroffene sexualisierter Gewalt in der Familie,
Mitglied des Lenkungsausschusses Ergänzendes Hilfesystem
Tina Dewes, Hannah Stiftung gegen sexuelle Gewalt, Mitglied Betroffenenbeirat Ergänzendes Hilfesystem
Matthias Katsch, Sprecher ECKIGER TISCH, stellv. Vors. Fachbeirat beim Unabhängigen Beauftragten sexueller Missbrauch, Sprecher Betroffenenbeirat Ergänzendes Hilfesystem

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