Der Lange Weg zurück – Das verlorene Leben

Ein Buch, was sich unbedingt zu lesen lohnt und wir jedem, der „verstehen“ möchte nur empfehlen können.

Einigen von uns ist Max Mehrick bekannt, er hat den ein oder anderen von uns in unterschiedlicher Weise auf unterschiedlichen Wegen, kürzer oder länger, im Leben begleitet. Nun hat er ein – wenn nicht außergewöhnliches – dann doch ungewöhnliches, Buch geschrieben. Unverstellt und offen, beschreibt er darin Gewalterfahrungen verschiedenster Art, von frühester Kindheit an, bist in das späte Jugendalter.

Max Mehrick - Der lange Weg zurück

Max Mehrick: Der lange Weg zurück – Das verlorene Leben

Max Mehrick
Der lange Weg zurück
Das verlorene Leben
2018, 206 Seiten, 24,50 €, ISBN 978-3-89334-622-6

https://www.asanger.de/titeluebersicht/psychotherapieanalyse/der-lange-weg-zurueck.php

Vorstand von Glasbrechen e.V.

Sabine Pohle

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In Gedenken an Susanne Preusker

Acht Jahre und zehn Monate hat Susanne Preusker gegen die Erinnerung angekämpft. Dann, am 13. Februar, hat sie ihr Leben beendet.

Nur wer selbst Opfer sexueller Gewalt wurde, vermag wohl das Grauen nachzuvollziehen, das der ehemaligen Gefängnispsychologin seit dem 7. April 2009 ständiger Begleiter war. Sieben unendliche Stunden lang war sie an diesem Tag in der JVA Straubing (Bayern) einem sexuellen Gewalttäter ausgeliefert.

Nach diesem traumatischen Erlebnis musste Susanne ihre Arbeit aufgeben. All die Jahre hat sie um einen Weg zurück ins Leben gekämpft.  In bewundernswerter Weise wurde sie auf diesem Weg von ihrem Mann und ihrem Sohn begleitet. Nicht zu vergessen, ihre, für sie so wichtige vierbeiniger Begleiterin.

Auch Susanne – wie so viele Andere – wurde  zum zweiten Mal Opfer. 13 Jahre und neun Monate Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung für ihren Peiniger. Damit war dem Gesetz scheinbar Genüge getan. Die Folgen für sie  und ihre Familie – lebenslänglich!

Am Ende war das Erlebte dann doch stärker als das Leben!

Mit ihren engsten Verwandten, Freunden und Begleitern trauern wir um eine mutige und starke Frau!

Susanne, du bleibst unvergessen

Vorstand von Glasbrechen e.V.

Sabine Pohle

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……… und immer noch kein Ende

69 bekannte Fälle sexualisierter Gewalt an hessischen Schulen allein im vergangenen Jahr!
Ja, auch an Privatschulen. Die meisten dieser Verbrechen aber sind an staatlichen Einrichtungen registriert worden.
Es hat – wieder einmal – die Mädchen besonders hart getroffen. Aber wir denken auch an jeden Jungen, der diese besonders widerliche Art der Demütigung hat erleiden müssen.
Was der hessische Kultusminister Alexander Lorz vor dem Landtag zum Thema Sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen zu berichten hatte, ist – und man möge uns die derbe Sprache für einmal verzeihen – zum Kotzen!
Denn wir, die Mitglieder von „Glasbrechen“, wissen doch aus unserer eigenen Erfahrung an der Odenwaldschule: Herr Lorz hat nur die Spitze dieses Eisbergs der Widerwärtigkeit beschrieben.
Herr Minister: Wie hoch schätzen Ihre Experten und die Ermittlungsbehörden die Dunkelziffer ein? Wie viele Jungen und Mädchen sind durch die Maschen der Statistik gerutscht? Wie viele Täter sind nachwievor nicht als solche erkannt, verklagt oder gar verurteilt ?
Offen gestanden hatten wir gehofft, die Geschehnisse am katholischen Canisius-Kolleg, bei uns an der links-liberalen Odenwaldschule und in unzähligen anderen Einrichtungen würden zu mehr führen als zu einem kurzen gesellschaftlichen Erschaudern beim Dinner. Wir hatten gehofft, die Verbrechen an unzähligen unschuldigen Minderjährigen würden unter anderem zu einer verantwortungsbewussten und nachhaltigen Präventionspolitik führen. Wir hatten gehofft, dass Staat und Zivilgesellschaft gemeinsam einen Weg finden würden, den Betroffenen bei der Bewältigung ihrer Traumata aufrichtig, mit ehrlicher Empathie und – jawohl – auch praktisch zur Seite zu stehen.
Von all diesen Hoffnungen ist nicht eine wirklich erfüllt worden. Ja, es hat durchaus Ansätze gegeben. Der Mißbrauchsbeauftragte und seine Mitarbeiter in Berlin haben sich sehr viel Mühe gegeben, auch in der Zeit nach dem ersten großen Entsetzen Gehör – und Geld! – zu finden. Viele Menschen haben sich ehrenamtlich engagiert und tun es immer noch.
Ihnen allen sind wir dankbar.
Aber den großen Wurf, den hat nicht die Politik, sondern die Gesellschaft insgesamt – wieder einmal – nicht geschafft.
Für Euch alle, die Ihr Euch immer noch beim Abendessen über sexuellen Missbrauch so wohlfeil empören könnt – ohne wirklich wissen zu wollen, wissen zu können ob im Leben Eurer eigenen Kinder wirklich alles in Ordnung ist: Hier ein Vers des politisch verfolgten sowjetischen Dichters Nisametdin Achmetow aus dem Gulag:
„Es reicht nicht zu sagen für Freiheit zahlt man für Freiheit – man muss es auch tun!“

Johannes von Dohnanyi
für den Vorstand von Glasbrechen e.V.

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Wann endlich stellen sich Kardinal Müller und Chorleiter Ratzinger ihrer Verantwortung für den Missbrauchsskandal bei den Regensburger Domspatzen?

Pressemitteilung von „Glasbrechen e.V.“, dem Verein der Opfer sexualisierter Gewalt an der Odenwaldschule

Frankfurt, 24. Juli, 2017: „Glasbrechen e.V.“, der Verein für die Betroffenen sexualisierter Gewalt an der Odenwaldschule erklären sich erneut und ausdrücklich solidarisch mit den zahllosen Gewaltopfern unter den Regensburger Domspatzen.
Wir danken RA Ulrich Weber, der es trotz massiver Widerstände geschafft hat, seinen Abschlussbericht über die skandalösen Missstände bei dem Regensburger Kirchenchor vorzulegen. Nicht nur die in diesem Bericht dokumentierten Fälle sexualisierter Gewalt haben uns tief erschüttert. Zahlen nennen wir bewusst keine, denn wir wissen um die Dunkelziffer bei solchen Verbrechen.
Dass hunderte minderjähriger Jungen und junger Männer über Jahrzehnte hinweg unter brachialen Erziehungsmethoden brutaler „Pädagogen“ zu leiden hatten, dass es Eltern gegeben hat, denen die Mitgliedschaft ihrer Söhne bei dem weltberühmten Chor wichtiger war als die Unversehrtheit ihrer Kinder, dass es noch immer Mütter wie Gloria Fürstin Thurn und Taxis gibt, die körperliche Strafen für Kinder rechtfertigen – all das macht uns wieder einmal fassungslos.
Im Namen seiner Mitglieder ist der Gesamtvorstand von „Glasbrechen e.V.“ empört und geradezu entsetzt über die Versuche der Regensburger Internatsschule, der Leitung des Chors der Domspatzen und des katholischen Bistums Regensburg, die von RA Weber zusammengetragenen Fakten auch jetzt noch zu relativieren. Wir sind schockiert über das Leugnen jeglicher Verantwortung durch das Bistum Regensburg und seine spirituellen wie pädagogisch-künstlerischen Spitzenvertreter.
„Glasbrechen“ fordert den ehemaligen Bischof von Regensburg, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, dazu auf, endlich zu seinen Versäumnissen bei der Aufklärung zu stehen und sich bei den Opfern sexualisierter und „pädagogischer“ Gewalt unter den Domspatzen zu entschuldigen und darüber nachzudenken, wie den Opfern geholfen werden kann.
Gleiches gilt für den langjährigen Chorleiter Georg Ratzinger. Dass er seine Schutzbefohlenen mit Prügelpädagogik malträtierte, hat der Bruder des zurückgetretenen deutschen Papstes Benedikt längst zugegeben. Anstatt die Aufklärungsbemühungen in Interviews noch immer „einen Irrsinn“ zu nennen, wäre es jetzt für ihn an der Zeit, sich zumindest dafür zu entschuldigen, dass kirchliche Mitarbeiter des Bistums seine Chorkinder über all diese Jahrzehnte hinweg auch noch ungestraft missbrauchen konnten.
Die Betroffenen sexualisierter Gewalt an der Odenwaldschule wissen, wie schwer es ist, mit den Folgen solch traumatischer Erfahrungen leben zu müssen. Allein schon der Auftrag zu christlicher Nächstenliebe müsste es den Kirchenmännern von Regensburg gebieten, Mitgefühl und Verantwortung zu zeigen und sich nicht als Opfer einer längst widerlegten Diffamierungskampagne zu stilisieren. Dies ist ein erneuter Schlag ins Gesicht aller Opfer.
Johannes von Dohnanyi für den Vorstand von „Glasbrechen“
Kontakt: +49 173 522 4172; johannes.vondohnanyi@gmail.com

Mehr Info unter: http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/regensburger-domspatzen-warum-aufklaerung-in-der-kirche-so-schwierig-ist-a-1159019.html

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Der Groschen der Einsicht

Als Hartmut von Hentig im vergangenen Jahr einen weiteren Band seiner Autobiographie vorstellte, waren wir schockiert: Der nun schon Jahre währende Abstand zu den Enthüllungen über das pädosexuell-verbrecherische Treiben seines Lebenspartners Gerold Becker hatte in dem greisen Guru der deutschen Reformpädagogik zu keinem Umdenken geführt. Schuld an dem weit über hundertfachen Missbrauch minderjähriger Odenwaldschüler waren immer noch nicht der Schulleiter Becker und seine Mittäter, sondern weiterhin die Opfer. Kein Wort des Mitleids, keinerlei Empatie, kein Hauch des Entsetzens, kein Gedanke an mögliches eigenes Versagen fanden sich in dem vom Wamiki-Verlag publizierten 1.000 Seiten Wälzer „Noch immer mein Leben“.

Wir von Glasbrechen hatten sofort und scharf reagiert. Von den professionellen Apologeten der Reformpädagogik und leider auch von einigen Altschülern, die am unbefleckten Bild „ihrer“ Oso allen Fakten zum Trotz bewahren wollten, bekamen wir deshalb heftigen Gegenwind.

Offen gestanden: Das Warten darauf, dass der Groschen fällt, kann enervierend sein. Aber wenn es dann endlich so weit ist…

… dann freuen wir uns, dass der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaften (DGfE) unsere Einschätzung teilt und Hartmut von Hentig den ihm 1998 verliehenen Ernst-Christian-Trapp-Preis aberkannt hat. Und zwar, wie es in der schriftlichen Begründung heißt, weil „die Auseinandersetzung von Hentigs mit den Gewalterfahrungen, die viele Schüler nachweislich an der Odenwaldschule machen musste, den berechtigten Anliegen der Opfer in keiner Weise gerecht wird und dass die Unterstützung der Opfer im Zweifelsfall höher zu gewichten ist als die Anerkennung wissenschaftlicher Leistungen.“

Wir wünschen uns, dass der Groschen der Einsicht nun möglichst rasch auch bei anderen pädagogischen und staatlichen Organisationen und Institutionen fällt!

Johannes von Dohnanyi für den Vorstand von Glasbrechen

Quelle: Link zur Stellungnahme des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) zur Diskussion um sexuelle Gewalt in pädagogischen Kontexten

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Ein Kätzchen, kein Tiger

Missbrauch Eine nationale Kommission hört am Dienstag erstmals Betroffene an. Aber was kann sie bewirken? Ein Opfer sexueller Gewalt ist skeptisch

Große unabhängige Aufklärungen sexualisierter Gewalt haben in den USA, in Irland und Großbritannien stattgefunden. Man wollte herausfinden, wie weit Gesellschaft und Politik verstrickt sind – etwa in die ungeheuerlichen Taten des BBC-Moderators Jimmy Savile. Rundfunk, Polizei und Kinderheime wurden dafür unter die Lupe genommen. Nach diesem Vorbild beschloss der Bundestag die Einrichtung einer Aufarbeitungs-Kommission in Deutschland, am Dienstag werden zum ersten Mal Opfer angehört werden.

In den angelsächsischen Ländern haben ganze Gesellschaftszweige gewackelt, als die Kommissionen die Aufarbeitung durchsetzten – gegen den Widerstand der Täternetzwerke. Beim deutschen Modell handelt es sich um eine Aufarbeitungskommission light. Die Mitglieder arbeiten ehrenamtlich, die Kommission hat kein Mandat, sie empfiehlt. Aufarbeitung als Feierabendjob. Wie geht das?

Dass man ihnen endlich zuhört, dass man ihnen endlich glaubt – für viele Betroffene sexualisierter Gewalt ist das eine wichtige Erfahrung. Täter haben die Schamgrenze von Kindern mit dem Missbrauch extrem überschritten, aber hinterher hat das den Kindern niemand geglaubt – oder man sie sogar zum Schweigen gebracht. Nun stellt also der Staat das Angebot des Zuhörens und Glaubens bereit. Eigentlich müsste im Hintergrund die Deutschlandflagge aufgehängt werden.

Die „Aufarbeitungskommission“, berufen von Johannes-Wilhelm Rörig, dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, soll also „aufarbeiten“. Was die Mitglieder seit 2016 im Wesentlichen machen, ist: Sie hören zu. So berichteten es mir Menschen, die dieses Angebot angenommen haben. „Aufarbeitung ist auf Zeugenschaft angewiesen“, sagt die Vorsitzende der Kommission, die Frankfurter Erziehungswissenschaftlerin Sabine Andresen. „Dafür sind Anhörungen mit Betroffenen zentral. Aufarbeitung zielt auf vertiefte Erkenntnisse, auf Anerkennung erlittenen Unrechts, auf Prävention und auf politische Schlussfolgerungen. Diese richten sich an Verantwortungsträger in der Politik.“ Das stimmt. Aber das allein ist eben nicht Aufarbeiten, nicht Aufklären und schon gar nicht Aufdecken. Das Entscheidende ist der Sprung, nicht der Anlauf.

Blick durchs Mikroskop

Die Kommission hat keine Möglichkeiten, Verantwortliche aus Institutionen einzubestellen, in denen Übergriffe stattgefunden haben. Sie kann auch nicht die Tatorte aufsuchen, bei denen sexualisierte Gewalt an Kindern gemeldet wird, um dort aufzudecken und aufzuklären. Das wären Momente, in denen es noch Kinder zu retten gibt und nicht nur die Daten der Vergangenheit eingesammelt werden. Die deutsche Kommission verhält sich zu den ausländischen Vorbildern etwa wie die Hauskatze zum Tiger: Beide gehören zur Gruppe der Katzen.

Am 31. Januar findet nun die erste öffentliche Anhörung von Betroffenen aus dem familiären Umfeld statt. Bei der Anhörung wird das Kind, das diese Erwachsenen einmal waren, gesehen und mit seinen Verletzungen wahrgenommen. Der Erwachsene hat das Gefühl, einen Beitrag zum Schutz der nächsten Generation zu leisten, indem er die eigene Biografie der Wissenschaft zur Verfügung stellt.

Der Staat stellt die Mittel zur Verfügung, damit diese Anhörungen stattfinden können. So können die Betroffenen einen Genesungsschritt machen. Das ist bemerkenswert, weil der gleiche Staat genau den gleichen Betroffenen die Gelder verweigert, um eine psychotraumatologische Behandlung durchzuführen. Das gilt für die von den Krankenkassen nur unzureichend erstattete Anzahl der Therapiestunden genauso wie für die über das Opferentschädigungsgesetz (OEG) bereitgestellten Mittel oder die Hilfeleistungen aus dem Fonds Sexueller Missbrauch, dessen Bearbeitungszeit derzeit bei 1,5 Jahren liegt. Was wird hier gespielt?

Wird hier öffentlichkeitswirksam und kostengünstig etwas für die öffentliche Wahrnehmung getan? So dass der Eindruck entsteht, hier würde Betroffenen sexualisierter Gewalt geholfen?

Was hier passiert, ist, dass den inneren Kindern in den Erwachsenen von heute einmalig eine Chance zur Neuverhandlung der traumatischen Erfahrung ermöglicht wird (indem ihnen zugehört und geglaubt wird). Aber weder wird den Erwachsenen von heute ein langfristiges Hilfsangebot gemacht – noch wird den Kindern geholfen, die jetzt in diesem Moment von sexualisierter Gewalt betroffen sind. Das ist eine Groteske!

Die Aufarbeitungskommission hat 1,4 Millionen Euro zur Verfügung und kann damit laut ihrer Vorsitzenden Andresen fünfhundert Anhörungen durchführen. Eine Anhörung kostet so viel wie 34 Therapiesitzungen. Ist das ein guter Deal für die Betroffenen?

Die zweite Begründung für die Anhörung stimmt umso nachdenklicher. Es sollen Erkenntnisse gewonnen werden, „die eine zentrale Grundlage für einen verbesserten Schutz vor sexuellem Missbrauch bilden“. So ist es in der Einladung zur öffentlichen Anhörung zu lesen. Das würde bedeuten, dass die gegenwärtigen Erkenntnisse zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt nicht ausreichen würden, um strukturelle Veränderungen herbeizuführen. Das gilt spätestens seit 2010 nicht mehr, dem Jahr, in dem die Debatte über sexualisierte Gewalt gegen Kinder die breite Öffentlichkeit erreichte. Was hier passiert, ist ein Mechanismus, der im Kontext sexualisierte Gewalt bereits bekannt ist: Der Blick richtet sich in die Vergangenheit, das heißt, es wird in diesem Fall den Opfern von gestern exemplarisch in einer quantitativ überschaubaren Zahl die Möglichkeit gegeben, sich gesehen und gehört zu fühlen. Und der Blick richtet sich in die Zukunft, die Erkenntnisse der Vergangenheit sollen die Kindergeneration der Zukunft besser vor Gewalt schützen.

Zeichen von Integrität

Die Zahlen der Gegenwart aber sprechen eine brutale Sprache. Die Anzahl der misshandelten Kinder nimmt nicht ab. Kindern wird immer noch oft nicht geglaubt. Die Strukturen in pädagogischen Einrichtungen haben sich praktisch nicht verändert. Kein Beschwerdemanagement, keine entsprechende Ausbildung für Prävention und Intervention bei sexualisierter Gewalt der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und schon gar nicht ein Interventionsteam, das bei Fällen von sexualisierter Gewalt die Übergriffe beendet. Bei den Familien ist hier das Jugendamt zuständig. Die Erfahrungen sind unbefriedigend.

Es ist heute leichter, über sexualisierte Gewalt zu sprechen. Für die Erwachsenen. Nicht mehr und nicht weniger. Das ist der Erfolg der gebündelten Anstrengungen seit 2010. Es war anstrengend. Ich war dabei.

Dann sind sie wieder da, diese Ohnmacht, dieser Zorn und wieder dieses dumpfe Gefühl, das alles immer so weitergeht.

Aber was machen eigentlich die Gestalter der Gegenwart, die Gesetzgeber, die Politik? Die haben das unangenehme, brennende Thema sexualisierter Gewalt einfach an den Unabhängigen Beauftragten ausgelagert, eine Arbeitsstelle ohne Mandat und politische Kraft. Etwas mehr als zwanzig hauptamtliche Mitarbeiter sind in Johannes-Wilhelm Rörigs Team. Auch ein Fachbeirat liefert Expertise. Ehrenamtlich. Und der Betroffenenrat stellt seine Erfahrungen zur Verfügung. Ehrenamtlich. Abschätziger könnte die Politik die Leistungen der hier Beteiligten kaum würdigen.

Albert Einstein hat die Politik die Unterhaltungsabteilung des militärisch-industriellen Komplexes genannt. Wenn Rörig und sein Team mehr sein wollen als die Spaßabteilung des regierenden Berlins, dann müssen sie das genau sagen – und für ein Mandat der Regierung einstehen. Das würde ich als ein Zeichen von Integrität werten. Und das ist es, was uns Betroffenen als Kindern so oft gefehlt hat. Integrität. In Wahrheit findet eine Akkumulation von viel Ehre ohne Entscheidungskompetenz statt. Empfehlungen an die Politik sollen gemacht werden. Und was macht die Politik mit den Empfehlungen? Richtig, die pfeift drauf.

Mir würde es viel besser gefallen, wenn anstelle der Kommissionsmitglieder der Bundesjustizminister die Anhörungen der Betroffenen durchführen würde. Und zwar so lange, bis er vor Albträumen nicht mehr schlafen kann und die Verjährungsfristen abschafft – und vor allem die überfällige Reform des Opferentschädigungsgesetz endlich durchsetzt. Die Sozialminister der Länder sollen sich so lange die Berichte von vergewaltigten Heimbewohnerinnen und Heimbewohnern anhören, bis sie die Heime neu strukturieren. Nur so könnten sie ihre teils völlig wehrlosen, weil schwer behinderten Bewohner und Bewohnerinnen schützen. Und die Kultusminister sollen sich die Berichte der missbrauchten Schülerinnen und Schüler anhören, bis sie das Thema sexualisierte Gewalt in die Ausbildung von Lehrkräften aufnehmen und Schutzkonzepte für die Schulen entwickeln. Nur so lassen sich Übergriffe frühzeitig erkennen, und Profis können fachgerecht intervenieren.

Wäre ich Täter, ich würde mich über den gegenwärtigen Diskurs und die politische Ignoranz beim Thema sexualisierte Gewalt an Kindern kaputtlachen. Und das, nachdem ich 2010 richtig Angst hatte, dass es mir an den Kragen geht. Aber das ist ja zum Glück vorbei.

Aber ich bin kein Täter. Und das bedeutet, hilflos zusehen zu müssen, wie die jetzige Kindergeneration Ähnliches erleben muss wie ich. Obwohl wir heute wissen, wie es anders gehen könnte.

Johannes von Dohnanyi
für den Vorstand von Glasbrechen e.V.

Quelle: Andreas Huckele, „Ein Kätzchen, kein Tiger“, der Freitag, 30.01.2017, Link zum Zeitungsartikel von „der Freitag“

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Alter schützt vor Ärger nicht

Das hohe Alter hat es Hartmut von Hentig vergönnt, seine „Wahrheit“ über Gerold Becker und die Odenwaldschule zu Beginn dieses Jahres zu veröffentlichen. „Noch immer mein Leben“ hat er den 1.200 Seiten Wälzer genannt, in dem er seine Lebenszeit von 2005 bis 2015 noch einmal Revue passieren lässt.

In diese Zeit fällt dann auch die endgültige Enthüllung des jahrelangen Mißbrauchsskandals an der Odenwaldschule.

Schon die Lektüre des Buchs war für die Betroffenen und ihre Freunde eine unsägliche Zumutung. Die sorgsam ziselierten Sätze des „Ober-Gurus der Reformpädagogik“ lassen so gar keine Empathie für Gerold Beckers Opfer und ihre seelischen Wunden verspüren. Mehr noch verstieg sich Hartmut von Hentig zu dem ungeheuerlichen Verdacht, es seien die Kinder gewesen, die „seinem“ Gerold Becker den Kopf verdreht hätten.

Der „Wamiki“-Verlag – jawohl, der nennt sich allen Ernstes „Was mit Kindern“ (Ein Schelm der Arges denkt)   – war der einzige, der sich an die Publikation dieses Buches getraut hatte. Und zum Rühren der Werbetrommel holte er sich einen Berliner Professor und Filmemacher zu Hilfe, der Hartmut von Hentigs Positionen in einigen Kurzinterviews http://noch-immer-mein-leben.de/videos/ darstellen sollte.

Das, so muss man sagen, ist ihm in grauenhaft eindrücklicher Form auch gelungen. Was Hartmut von Hentig in diesen Clips über Gerold Becker, dessen pädo-kriminelle Neigungen und die Opfer zu sagen hat, macht einen sprach- und fassungslos. Diese „Kinder“, von denen er spricht, waren unsere Klassenkameraden, Zimmerkameraden und Freunde. Viele haben die Folgen von Beckers vermeintlicher Zuneigung nicht überlebt. Wir WISSEN warum….

Schaut sie Euch an, die Filmchen, lest, was HvH zu Bernhard Pörskens Artikel zu sagen hat. Und dann, bitte, kommentiert . Gerne auch unter Decknamen. Aber bitte reagiert!

Direkt an die Glasbrechen-Mailadresse:  kontakt@glasbrechen.de oder

per Whatsapp , Threema unter + 49 176 60919450

Was Ihr zu sagen/ zu schreiben habt, wird auf jeden Fall an HvH und Wamiki weitergeleitet, je nach Eurem Wunsch anonym oder unter vollem Namen. Was wir sonst noch damit „anstellen“ können, werden wir sehen, sobald Eure Reaktionen da sind.

Danke schon mal jetzt für jede Mail und jeden Text,den wir zu dem Thema von Euch bekommen

Johannes von Dohnanyi
für den Vorstand von Glasbrechen e.V.

Quelle: Damian Miller, Odenwaldschule – Jeder Missbrauch hat Mitwisser, Frankfurter Rundschau, 02.12.2016, Link zum Zeitungsartikel der „Frankfurter Rundschau“

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Therapien für Pädophile auf Krankenschein

Die Nachfrage nach vorbeugenden Therapien ist größer als das Angebot.

Dennoch musste das Berliner Präventionsprojekt „Kein Täter werden“ um die weitere Förderung bangen. Nun sollen Therapieangebote für pädophile Männer über die Krankenkassen abgesichert werden – für mehr Kinderschutz.

http://www.heute.de/bundestag-beschliesst-modellprojekt-therapien-fuer-paedophile-auf-krankenschein-45885518.html

Ohne Worte

Johannes von Dohnanyi
für den Vorstand von Glasbrechen e.V.

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Stellungnahme des Vereins „Glasbrechen“ zum Prozess Frank G.

„Glasbrechen“, der Verein der Betroffenen sexualisierter Gewalt an der Odenwaldschule, ist entsetzt über die Entscheidung des Darmstädter Landgerichts vom 11. August, die Strafe für den pädosexuellen ehemaligen Mathematiklehrer Frank G. zu 12 Monate auf Bewährung zu reduzieren.

Das Amtsgericht Bensheim hatte G. im Februar dieses Jahres zu 14 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt.

Die richterliche Entscheidung des Landgerichts Darmstadt ist umso unverständlicher, als der Angeklagte nicht nur den Besitz von über 100.000 Fotos und Videos mit eindeutig pädosexuellem Inhalt zugegeben hat. Wie Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im Vorfeld zu der Verhandlung auch ergaben, ist der Lehrer G. ein Wiederholungstäter.

Schon mit 16 Jahren, so gab G. am Donnerstag im Verlauf der Verhandlung zu, habe er seine verbrecherisch-sexuelle Neigung entdeckt. Im Jahr 2000 gab es zwischenzeitlich nachweislich bereits einen Vorfall mit einem Jungen in Rottweil – leider ohne Verurteilung.  Der Versuch der Darmstädter Staatsanwaltschaft, diesen Fall im Licht der Vorkommnisse auf der Odenwaldschule neu aufzurollen, scheiterte aber.

Wie jeder andere Mitarbeiter der Odenwaldschule unterschrieb G. eine Selbstverpflichtung zum Thema Nähe und Distanz und Achtung von Grenzen gegenüber den Schülern der Odenwaldschule. Hätte er tatsächlich sein „Problem“ schon so gut erkannt, wie er es heute das Gericht glauben machen wollte, hätte er dieses Dokument nie unterschreiben dürfen. Statt dessen verschwieg er seine Neigung ebenso wie den Vorfall in Rottweil.

Allerdings soll er ehemaligen Kollegen an der Odenwaldschule gesagt haben, dass er kündigen werde, weil ihm die Nähe zu Kindern Probleme mache.

Offenbar fühlte sich keiner der Angesprochenen verpflichtet, diese Aussagen des Mathematiklehrers G. der Schulleitung oder den Aufsichtsbehörden zu melden.

Dass G. aufgrund seiner Behauptung, in Therapie zu sein, und weil es unmöglich war, ihm den Handel mit kinderpornographischen Material nachzuweisen, mit einer Bewährungsstrafe davonkommen konnte, hält „Glasbrechen“ angesichts aller vorgetragenen Tatsachen und Beweise für einen Skandal.

Die Produktion kinderpornographischen Materials ist immer auch mit physischer und psychischer Gewalt gegen Kinder verbunden. Wer solches Material besitzt und zur Befriedigung seines Triebs „konsumiert“, macht sich an diesen Gewaltakten mitschuldig.

Daran ändert auch nichts, dass G. in Zukunft nicht mehr als Lehrer, sondern als Briefträger arbeiten wird.

Einmal mehr hat das Urteil von Darmstadt das Wohl des Täters über das seiner Opfer gestellt.

Das es auch anders geht, hatte nur einen Tag vor dem Darmstädter Urteil der ehemalige Religionslehrer und Präfekt des katholischen Klosterinternats Ettal erfahren müssen. Er wurde wegen Kindesmissbrauchs in mehreren Fällen zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Darüber hinaus hat die Glaubenskongregation des Vatikan den Täter aus dem Orden ausgeschlossen und dem 46-jährigen die Ausübung des Priesteramts untersagt.

Eine solche Entschlossenheit hätte sich „Glasbrechen“ im Fall des früheren Lehrers Frank G. auch vom Darmstädter Landesgericht  gewünscht.

 

Johannes von Dohnanyi
für den Vorstand von Glasbrechen e.V.

 

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Der Virtuose des Missbrauchs Bücher – FAZ -Bücher

Wir, die wir glaubten schon alles zu Gerold Becker zu wissen, kommen aus dem Lernen nicht heraus. Jürgen Oelkers danken wir für seine Bemühungen, seine Hartnäckigkeit, die deutlichen Worte und seine klare Position.

Mit Charisma ging im pädagogischen Paradies der Odenwaldschule alles: Jürgen Oelkers schreibt die Biographie ihres ehemaligen Leiters Gerold Becker und rechnet mit der Reformpädagogik ab. Von Heike Schmoll

Link zum Zeitungsartikel der „FAZ“

Johannes von Dohnanyi
für den Vorstand von Glasbrechen e.V.

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