……… und immer noch kein Ende

69 bekannte Fälle sexualisierter Gewalt an hessischen Schulen allein im vergangenen Jahr!
Ja, auch an Privatschulen. Die meisten dieser Verbrechen aber sind an staatlichen Einrichtungen registriert worden.
Es hat – wieder einmal – die Mädchen besonders hart getroffen. Aber wir denken auch an jeden Jungen, der diese besonders widerliche Art der Demütigung hat erleiden müssen.
Was der hessische Kultusminister Alexander Lorz vor dem Landtag zum Thema Sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen zu berichten hatte, ist – und man möge uns die derbe Sprache für einmal verzeihen – zum Kotzen!
Denn wir, die Mitglieder von „Glasbrechen“, wissen doch aus unserer eigenen Erfahrung an der Odenwaldschule: Herr Lorz hat nur die Spitze dieses Eisbergs der Widerwärtigkeit beschrieben.
Herr Minister: Wie hoch schätzen Ihre Experten und die Ermittlungsbehörden die Dunkelziffer ein? Wie viele Jungen und Mädchen sind durch die Maschen der Statistik gerutscht? Wie viele Täter sind nachwievor nicht als solche erkannt, verklagt oder gar verurteilt ?
Offen gestanden hatten wir gehofft, die Geschehnisse am katholischen Canisius-Kolleg, bei uns an der links-liberalen Odenwaldschule und in unzähligen anderen Einrichtungen würden zu mehr führen als zu einem kurzen gesellschaftlichen Erschaudern beim Dinner. Wir hatten gehofft, die Verbrechen an unzähligen unschuldigen Minderjährigen würden unter anderem zu einer verantwortungsbewussten und nachhaltigen Präventionspolitik führen. Wir hatten gehofft, dass Staat und Zivilgesellschaft gemeinsam einen Weg finden würden, den Betroffenen bei der Bewältigung ihrer Traumata aufrichtig, mit ehrlicher Empathie und – jawohl – auch praktisch zur Seite zu stehen.
Von all diesen Hoffnungen ist nicht eine wirklich erfüllt worden. Ja, es hat durchaus Ansätze gegeben. Der Mißbrauchsbeauftragte und seine Mitarbeiter in Berlin haben sich sehr viel Mühe gegeben, auch in der Zeit nach dem ersten großen Entsetzen Gehör – und Geld! – zu finden. Viele Menschen haben sich ehrenamtlich engagiert und tun es immer noch.
Ihnen allen sind wir dankbar.
Aber den großen Wurf, den hat nicht die Politik, sondern die Gesellschaft insgesamt – wieder einmal – nicht geschafft.
Für Euch alle, die Ihr Euch immer noch beim Abendessen über sexuellen Missbrauch so wohlfeil empören könnt – ohne wirklich wissen zu wollen, wissen zu können ob im Leben Eurer eigenen Kinder wirklich alles in Ordnung ist: Hier ein Vers des politisch verfolgten sowjetischen Dichters Nisametdin Achmetow aus dem Gulag:
„Es reicht nicht zu sagen für Freiheit zahlt man für Freiheit – man muss es auch tun!“

Johannes von Dohnanyi
für den Vorstand von Glasbrechen e.V.

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